Kosten für Räumungsklagen beim Verkauf vermieteter Immobilien: Was Sie wirklich zahlen müssen

Wenn Sie eine vermietete Immobilie verkaufen wollen, steht oft eine schwierige Entscheidung an: Den Mieter rauswerfen - oder den Mieter mitverkaufen? Viele Verkäufer glauben, dass eine Räumungsklage den Verkaufspreis deutlich erhöht. Und das stimmt auch - aber nur, wenn man die wahren Kosten kennt. Denn hinter dem Versprechen eines höheren Preises verbirgt sich ein finanzielles und zeitliches Risiko, das viele unterschätzen.

Warum überhaupt eine Räumungsklage?

Käufer zahlen in Deutschland durchschnittlich 15 bis 20 % mehr für eine leerstehende Immobilie als für eine mit Mieter. Das hat der Immobilienverband Deutschland (IVD) im dritten Quartal 2023 bestätigt. Der Grund ist einfach: Kein Käufer will sich mit einem Mieter auseinandersetzen, der vielleicht nicht ausziehen will, oder mit einer Wohnung, die noch renoviert werden muss - und die er nicht selbst steuern kann. Deshalb drängen viele Käufer darauf, dass die Immobilie unvermietet übergeben wird.

Aber hier kommt die Hürde: Der Gesetzgeber hat das Mietrecht stark geschützt. Laut Bundesgerichtshof (BGH) vom 18. Januar 2022 (Az. VIII ZR 100/21) ist der bloße Wunsch, eine Immobilie zu verkaufen, kein gültiger Grund, um einen Mieter zu kündigen. Sie dürfen nicht einfach sagen: „Ich verkaufe, du musst raus.“ Das wäre rechtlich nicht haltbar.

Deshalb greifen viele Vermieter zur Räumungsklage. Sie versuchen, über andere Kündigungsgründe wie „wirtschaftliche Nutzung“ (§ 568 BGB) oder „dringender Bedarf“ (§ 573 BGB) den Mieter zu entfernen. Doch diese Wege sind eng, kompliziert und teuer.

Wie berechnen sich die Kosten einer Räumungsklage?

Die Kosten einer Räumungsklage hängen von einem einzigen Wert ab: dem Streitwert. Der wird nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) berechnet - und zwar als zwölfmal die monatliche Kaltmiete. Wenn Ihre Wohnung 750 € Kaltmiete kostet, ist der Streitwert 9.000 €.

Bei diesem Streitwert fallen drei Hauptkostenposten an:

  • Gerichtskosten: 510 € als Kostenvorschuss (nicht die endgültige Summe, aber die erste Zahlung, die Sie leisten müssen)
  • Außergerichtliche Anwaltskosten: 375 € für die Vorbereitung der Kündigung und des Schriftverkehrs
  • Prozesskosten des Anwalts: 520 € für die Einreichung der Klage, die Anhörung und die Vertretung im Gericht
Das macht insgesamt 1.405 € - und das ist nur der Anfang. Das ist die Standardkalkulation für eine Zweizimmerwohnung mit mittlerer Miete. Bei 1.000 € Kaltmiete steigen die Gerichtskosten auf 720 €, die Gesamtkosten auf über 1.800 €. Bei einer größeren Wohnung mit 1.500 € Miete liegt der Streitwert bei 18.000 € - und die Kosten bei über 2.500 €.

Was viele vergessen: Die versteckten Kosten

Die offiziellen Kosten sind nur die Spitze des Eisbergs. Die meisten Vermieter merken erst nach Monaten, wie viel wirklich draufgeht.

  • Zeitverlust: Eine Räumungsklage dauert im Durchschnitt 6,4 Monate. Währenddessen zahlt der Mieter weiter - aber Sie können die Wohnung nicht verkaufen. Das ist ein doppelter Verlust: Sie verlieren den Verkaufserlös und die Miete gleichzeitig.
  • Terminverlegungen: Gerichte sind überlastet. Wenn ein Termin verschoben wird, kostet das zwischen 200 und 300 € pro Verlegung - und das kann mehrmals passieren. 68 % der Vermieter berichten davon, laut einer Umfrage von VermietSicher.
  • Entrümpelung und Renovierung: Nach der Räumung ist die Wohnung oft voller Müll, Schäden oder veralteter Ausstattung. Die Kosten dafür liegen oft bei 1.000 bis 3.000 € - und die werden nicht vom Mieter erstattet.
  • Rechtschutzversicherung: Ohne Versicherung zahlen Sie alles selbst. Eine gute Mietrechtsversicherung kostet 120-180 € pro Jahr. Aber wenn Sie sie nicht haben, zahlen Sie die 1.400 € aus eigener Tasche - und das, bevor Sie auch nur einen Cent vom Verkauf haben.

Wie hoch ist die Erfolgsquote?

Nicht jede Räumungsklage gewinnt. Die Erfolgsquote liegt bundesweit bei 63 % - aber das ist der Durchschnitt für alle Fälle. Bei Verkäufen ist die Quote deutlich niedriger, weil der Kündigungsgrund „Verkauf“ nicht gilt. Viele Richter lehnen solche Klagen ab, wenn der Vermieter nicht nachweisen kann, dass er die Wohnung selbst nutzen will oder ein Familienmitglied einzieht.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Vermieter aus Graz hat eine 65 m² Wohnung mit 750 € Kaltmiete verkauft. Er hat eine Räumungsklage eingereicht - und verloren. Der Mieter hatte einen 15-jährigen Vertrag und keine Mietrückstände. Das Gericht sah keinen dringenden Bedarf. Der Vermieter blieb mit 2.850 € Kosten sitzen - und musste die Wohnung trotzdem mit Mieter verkaufen, zum 18 % niedrigeren Preis.

Waage mit Schlüssel und Geldstapel, gegenüber Mieter mit Gerichtsdokumenten und Kostenangabe von 2.800 €.

Was kostet es, den Mieter nicht zu räumen?

Es gibt Alternativen - und sie sind oft günstiger.

  • Übernahme des Mietverhältnisses: Der Käufer übernimmt den Mieter und den bestehenden Vertrag. Das ist rechtlich einfach, kostet fast nichts - und viele Käufer akzeptieren das, besonders bei jungen, zuverlässigen Mietern.
  • Aufhebungsvertrag mit Entschädigung: Sie zahlen dem Mieter eine einmalige Summe, damit er freiwillig auszieht. Bei einer Wohnung mit 800 € Miete liegt diese Summe meist zwischen 1.500 und 2.500 €. Das ist günstiger als eine Räumungsklage - und viel schneller.
  • Warten bis zum Vertragsende: Wenn der Mietvertrag in 6 Monaten ausläuft, lohnt es sich oft, abzuwarten. Dann können Sie die Wohnung ohne Klage leer verkaufen - und sparen alle Kosten.
Eine Studie des Deutschen Mieterbundes (2023) zeigt: Bei Mieten über 800 € ist eine Räumungsklage bis zu 3.000 € teurer als ein freiwilliger Aufhebungsvertrag - und dauert doppelt so lange.

Wann lohnt sich eine Räumungsklage?

Es gibt nur drei echte Fälle, in denen sich eine Räumungsklage lohnt:

  1. Der Mieter zahlt nicht mehr: Wenn er seit mehr als zwei Monaten keine Miete zahlt, können Sie nach § 543 BGB kündigen. Dann ist die Klage nicht nur gerechtfertigt - sie ist auch rechtlich sicher.
  2. Der Mieter verursacht massive Störungen: Lärm, Gewalt, Schäden an der Wohnung - das sind echte Gründe. Aber: Sie müssen Beweise sammeln - Zeugen, Protokolle, Fotos.
  3. Die Wohnung soll komplett modernisiert werden: Wenn Sie oder der Käufer eine umfassende Sanierung planen (z. B. neue Heizung, Fenster, Bäder), und das Mietrecht das erlaubt (§ 554 BGB), können Sie unter Umständen kündigen. Aber: Der Mieter hat ein Recht auf Ersatz - und die Sanierung muss nachweislich notwendig sein.
In allen anderen Fällen: Vermeiden Sie die Klage. Die Risiken überwiegen die Chancen.

Was passiert, wenn Sie die Klage verlieren?

Wenn die Klage abgewiesen wird, zahlen Sie alles selbst - und der Mieter bleibt. Und Sie müssen noch die Kosten des Mieters tragen, wenn er einen Anwalt hatte. Das kann weitere 800-1.500 € kosten.

Noch schlimmer: 43 % der Vermieter, die eine Räumungsklage gewinnen, bekommen die Kosten vom Mieter nicht zurück - weil er zahlungsunfähig ist. Das hat der IVD in einer Umfrage 2023 ermittelt. Sie gewinnen das Verfahren - und verlieren trotzdem Geld.

Paar unterschreibt Vertrag mit zufriedenem Mieter in einer hellen, gut eingerichteten Wohnung.

Was tun, wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen?

1. Prüfen Sie den Mietvertrag: Ist er unbefristet? Wie alt ist er? Hat der Mieter Rückstände?

2. Recherchieren Sie den Mieter: Ist er alt, krank, langjährig? Dann ist er rechtlich besonders geschützt.

3. Beraten Sie sich mit einem Mietrechtsanwalt: Nicht jeder Anwalt kennt die aktuellen Urteile. Suchen Sie einen, der speziell auf Mietrecht spezialisiert ist.

4. Rechnen Sie realistisch: Wie viel mehr bekommen Sie für die leerstehende Wohnung? Wie viel kosten die Klage, die Zeit, die Risiken? Vergleichen Sie das mit dem Preis, den Sie bei Vermietung erzielen würden.

5. Prüfen Sie die Rechtschutzversicherung: Haben Sie eine? Wenn ja - nutzen Sie sie. Wenn nicht: Denken Sie daran, dass eine Versicherung günstiger ist als eine Klage.

Die Zukunft: Gesetze werden strenger

Mit dem Zweiten Wohnraummodernisierungsgesetz (2. WoMoG) vom 1. September 2023 wurden die Kündigungsgründe weiter eingeschränkt. Experten prognostizieren, dass die Anzahl der Räumungsklagen im Verkaufskontext bis 2026 um 20-25 % sinken wird - und die Kosten pro Fall um 15-20 % steigen.

Das bedeutet: Was heute noch als „gängige Praxis“ gilt, wird in zwei Jahren rechtlich fast unmöglich sein. Wer jetzt noch mit Räumungsklagen rechnet, läuft Gefahr, sich in einem System festzuklemmen, das sich rasant verändert.

Fazit: Die Wahrheit über Räumungsklagen

Eine Räumungsklage ist kein Werkzeug, um den Verkaufspreis zu erhöhen. Sie ist ein letzter Ausweg - und ein riskanter. Die Kosten sind hoch, die Erfolgsquote niedrig, die Dauer lang, und die rechtlichen Hürden größer denn je.

Wenn Sie eine vermietete Immobilie verkaufen wollen: Denken Sie nicht an die Räumung. Denken Sie an den Mieter. Ein guter Mieter ist kein Problem - er ist ein Vermögenswert. Und ein sauberer, gut erhaltener Mietvertrag kann den Verkauf sogar erleichtern.

Machen Sie sich klar: Der höchste Preis ist nicht immer der beste Preis. Manchmal ist der geringere Preis mit weniger Stress, weniger Kosten und weniger Risiko der klügere Weg.

Kann ich einen Mieter einfach wegen Verkauf kündigen?

Nein. Laut Bundesgerichtshof (BGH) vom 18. Januar 2022 ist der bloße Verkaufswille kein zulässiger Kündigungsgrund. Sie müssen andere Gründe nachweisen, wie z. B. Eigenbedarf, Mietrückstände oder schwere Störungen. Sonst wird die Kündigung rechtlich ungültig.

Wie viel kostet eine Räumungsklage bei 800 € Kaltmiete?

Bei einer Kaltmiete von 800 € beträgt der Streitwert 9.600 €. Die Gerichtskosten liegen bei etwa 540 €, die Anwaltskosten bei rund 900 €. Insgesamt müssen Sie mindestens 1.450 € vorab zahlen - ohne Berücksichtigung von Entrümpelung, Terminverlegungen oder Mieterkosten. In der Praxis liegen die tatsächlichen Kosten oft bei 2.000-2.800 €.

Ist eine Räumungsklage teurer als ein Aufhebungsvertrag?

Ja, oft deutlich. Eine freiwillige Aufhebung mit Entschädigung kostet bei 800 € Miete meist 1.500-2.500 € - aber sie ist schneller, sicherer und ohne Gerichtsrisiko. Eine Räumungsklage kann bis zu 3.000 € teurer werden, wenn man alle versteckten Kosten einrechnet.

Wie lange dauert eine Räumungsklage?

Im Durchschnitt dauert eine Räumungsklage 6,4 Monate - von der Kündigung bis zur vollständigen Räumung. In manchen Fällen kann es bis zu 12 Monate dauern, besonders wenn der Mieter Einspruch einlegt oder Terminverlegungen erfolgen. Währenddessen können Sie die Immobilie nicht verkaufen.

Was passiert, wenn ich die Klage verliere?

Sie zahlen alle Kosten selbst - Gericht, Anwalt, Entrümpelung. Außerdem müssen Sie oft auch die Anwaltskosten des Mieters übernehmen. Und der Mieter bleibt. Das bedeutet: Sie haben Geld verloren, Zeit verloren - und die Immobilie weiterhin mit Mieter zu verkaufen.

Sollte ich eine Rechtschutzversicherung für Mietrecht haben?

Ja, unbedingt. Eine gute Mietrechtsversicherung kostet 120-180 € pro Jahr. Sie deckt Anwaltskosten, Gerichtskosten und sogar Schadensersatzansprüche ab. Ohne sie zahlen Sie bei einer Klage alles selbst - und das kann schnell 3.000 € oder mehr werden.

November 19, 2025 / Finanzen & Investieren /