Die heikle Wahrheit: Eine Tür ist erst dann eine Brandschutztür, wenn sie es nachweislich ist. Ohne Prüfzeugnis, Kennzeichnung und die richtigen Bauteile bleibt sie juristisch nur eine normale Tür - selbst wenn sie schwer und massiv wirkt. Genau darum geht’s hier: Woran du sicher erkennst, ob eine Tür Feuer und Rauch standhält, welche Kennzeichen zählen, welche Mythen du streichen kannst und wie du in Österreich 2025 korrekt vorgehst.
- Nur geprüfte und klassifizierte Türen (z. B. EI30/EI60) mit Kennzeichnung und Selbstschließer gelten rechtlich als Brandschutz- bzw. Feuer- und Rauchschutztür.
- Prüfe: Typenschild/Plakette, Klassifizierung (EI30, S200/Sa), Selbstschließer, Dichtungen, korrektes Beschlagset und dokumentierte Montage.
- Ohne Kennzeichnung oder mit geänderten Bauteilen (z. B. falsche Drücker, entfernte Dichtung) verliert die Tür ihre Zulassung.
- Installation ist immer systemgebunden: Zarge, Blatt, Glas, Beschläge, Dichtungen - alles muss zusammen passen und nachweislich so montiert sein.
- In Österreich orientierst du dich an OIB-Richtlinie 2 (Ausgabe 2023) und EN-Normen (z. B. EN 1634-1/-3, EN 13501-2, EN 16034); interne Türen oft mit nationaler Konformität (z. B. ÜA) statt CE.
Was macht eine Tür zur Brandschutztür?
Kurze, klare Definition: Eine Brandschutztür ist eine geprüfte und gekennzeichnete Tür, die im Brandfall eine definierte Zeit lang Feuer (E = Raumabschluss) und Wärmedurchtritt (I = Wärmedämmung) widersteht und sich dabei selbsttätig schließt. Im Alltag heißt das: Sie hält den Brand in seinem Abschnitt, damit Menschen flüchten und die Feuerwehr arbeiten kann.
Das Fundament sind drei Bausteine:
- Prüfung nach EN 1634-1 (Feuerwiderstand) und ggf. EN 1634-3 (Rauchdichtheit).
- Klassifizierung nach EN 13501-2, z. B. EI30, EI60; bei Rauchschutz S-Klassen wie Sa oder S200.
- Produktnorm/Markt: In der EU regelt EN 16034 die Feuer/Rauch-Eigenschaften von Türen. Externe Türen können CE-gekennzeichnet sein (in Kombi mit EN 14351-1). Für viele Innentüren gilt nationaler Nachweis (in Österreich z. B. ÜA), weil der EU-Harmonisierungsrahmen hier noch nicht flächig greift.
Wichtig ist die Systemidee: Es geht nie nur um das Türblatt. Zarge, Bänder, Schloss, Drücker, Schließer, Dichtungen, Verglasungen und selbst Schrauben und Unterlagen sind Teil eines geprüften Systems. Wer einzelne Teile austauscht, ändert die Zulassung.
Typische Klassen, die du im Alltag siehst:
- EI30: 30 Minuten Feuer- und Wärmeschutz. In Wohngebäuden und kleineren Objekten sehr verbreitet.
- EI60: 60 Minuten; oft in größeren Gebäuden, Tiefgaragen, Technikräumen.
- Rauchschutz: Sa (Leckage bei Raumtemperatur) oder S200 (auch bei 200 °C). Häufig gefordert: Kombination EI30-Sa oder EI30-S200.
Und was ist mit der deutschen T-Klassik? Bei älteren Türen (oder deutschen Lieferungen) taucht T30/T60 (nach DIN 4102) und RS (Rauchschutz) auf. In Österreich findest du heute überwiegend EN-Klassen (EI) und Rauch-Suffixe (Sa/S200). Beide Welten meinen Vergleichbares, aber für aktuelle Bauvorhaben zählt die EN-Klassifizierung.
Was eine echte Brandschutztür haben muss:
- Selbstschließer: Feder- oder Gestängeschließer, korrekt eingestellt; bei zweiflügeligen Türen mit Schließfolgeregler.
- Intumeszenzdichtungen (aufquellend) umlaufend; für Rauchschutz zusätzlich elastische Dichtungen (Bürste/Gummi).
- Feuerbeständige Beschläge: Bänder, Schloss, Drücker - passend zum System, oft mit eigener Kennzeichnung.
- Begrenzte Fugen: Umlaufender Spalt i. d. R. maximal ca. 3-4 mm (systemabhängig). Bodenspalt gemäß Zulassung; ggf. Absenkdichtung.
- Glasausschnitte nur mit geprüftem Brandschutzglas inkl. gekennzeichneter Glasleisten/Dichtprofile.
- Typenschild/Plakette: dauerhaft angebracht, meist an der Türkante oder am Blattkopf.
Wo verlangt die Bauordnung solche Türen? Kurz: Überall dort, wo Brandabschnitte getrennt werden, Fluchtwege geschützt bleiben oder Räume mit erhöhter Brandlast (z. B. Heizräume, Garagen, Technikräume) abgeschlossen werden müssen. Die konkrete Anforderung ergibt sich aus Einreichplanung, Bescheid und OIB-Richtlinie 2 (2023).
„Feuer- und Rauchschutztüren sind selbstschließend zu halten und dürfen nicht offen gehalten werden, es sei denn, die Offenhaltung wird durch selbsttätig auslösende Anlagen gesteuert.“ - OIB-Richtlinie 2, Ausgabe 2023
Praxisnaher Merksatz: Keine Keile, keine Haken. Wenn offen, dann nur mit zugelassenem Feststellanlagen-Set (Schließer + Rauchmelder + Auslöseeinheit) - und jährlicher Wartung.
Schritt-für-Schritt: So erkennst du eine echte Brandschutztür
Du willst in ein paar Minuten wissen, woran du bist? So gehst du vor.
Typenschild/Plakette finden
Suche an der Türkante (Bandseite oder Schlossseite), am Blattkopf oder an der Zarge nach einer Metallplakette oder einem aufgedruckten Schild. Darauf stehen typischerweise:
- Hersteller/Typ
- Baujahr/Seriennummer
- Klasse: z. B. EI30, EI60; Rauch: Sa/S200; ggf. ältere Bezeichnung T30, RS
- Kennzeichen: CE (für harmonisierte Fälle) oder nationale Konformität (in Österreich z. B. ÜA bei nicht harmonisierten Produkten)
Fehlt dieses Schild, ist Vorsicht angesagt: Ohne Nachweis ist die Anerkennung im Ernstfall heikel.
Klasse richtig lesen
Beispiele, die dir begegnen:
- EI30-Sa: 30 Minuten Feuer-/Wärmeschutz, rauchdicht bei Raumtemperatur
- EI30-S200: rauchdicht auch bei 200 °C, in vielen Fluchtwegen Standard
- T30-RS (älter/deutsch): Feuerhemmend 30 Min + Rauchschutz
Kleiner Nerd-Fakt, der hilft: „EI1“ und „EI2“ sind zwei Bewertungsmodi; im Alltag ist EI2 30 bei Türen gängig und ausreichend, weil darauf geprüft wurde. Wichtig ist, was in deinem Bescheid steht.
Selbstschließer testen
Tür auf ca. 60° öffnen, loslassen: Sie muss selbsttätig schließen und ins Schloss fallen. Bei zweiflügeligen Türen muss zuerst das Standflügel-Schloss schließen (Schließfolgeregler prüfen). Wenn sie schlaff zugeht oder an der Teppichkante hängen bleibt: nachstellen lassen. Ein gestörter Selbstschluss kippt die Zulassung im Betrieb.
Dichtungen checken
Rundum durchgehende, unbeschädigte Dichtprofile? Die aufquellenden (meist grafitgrau oder schwarz, fest) dürfen nicht überlackiert oder unterbrochen sein. Die elastischen Rauchdichtungen (Gummi/Bürste) müssen sauber anliegen. Lücken, Risse oder hart gewordene Profile sind ein Mangel.
Spaltmaße
Als Faustwert gelten um 3-4 mm umlaufend (systemabhängig, Montageanleitung beachten). Nimm eine Bankkarte (0,76 mm). Drei bis vier Karten gestapelt passen knapp - mehr sollte es nicht sein. Unten: Absenkdichtung oder definierter Bodenspalt laut Zulassung. Ein Spalt „für den Durchzug“ ist kein Feature, sondern ein Risiko.
Beschläge und Glas
Bänder, Schloss, Drücker, Rosetten - alles muss zum System gehören. Baumarkt-Designbeschläge ohne Freigabe sind tabu. Bei Glas: Siegel/Ätzung am Glasrand (z. B. Angabe der Feuerwiderstandsklasse) und passende Glasleisten mit intumeszenten Einlagen.
Zarge und Anschluss
Die Zarge muss zum System gehören und korrekt befestigt sein. Der Wandanschluss wird nach Montageanleitung ausgeführt - oft mit mineralischen Materialien und systemgeprüftem Schaum/Dichtband. „Nur ausgeschäumt“ ist ein Warnsignal. Frage nach dem Montageprotokoll.
Dokumente
Im Idealfall gibt es: Leistungserklärung, Montageprotokoll, Wartungsnachweis. In Bestandsgebäuden: alte Zulassungen/Pläne fotografieren und digital sichern.
Feststellanlage
Ist die Tür mit einem Magnethalter offen? Dann muss ein zugelassenes Feststellsystem mit Rauchmeldern verbaut sein. Test: Auslösetaster drücken - die Tür muss schlagartig schließen. Ohne Feststellanlage ist „Keil drunter“ unzulässig.
Typische Stolperfallen, die du vermeiden solltest:
- Nachträglich andere Drückergarnitur montiert → Zulassung verloren.
- Bodenkürzung wegen neuem Bodenbelag → Tür verliert Dichtigkeit/Klasse.
- Dichtungen überstrichen oder entfernt → Rauch zieht durch.
- Glasausschnitt „zur Optik“ eingebaut → ohne Prüfbezug unzulässig.
- Fehlendes Typenschild → im Zweifel zählt die Tür nicht als Brandschutztür.
Realitäts-Check für Österreich (2025):
- OIB-Richtlinie 2 (Ausgabe 2023) gibt die Schutzziele vor. Sie verweist auf EN-Prüfungen und -Klassen.
- CE-Kennzeichnung nach EN 16034 ist aktuell in Kombi mit EN 14351-1 v. a. für Außentüren relevant. Für viele Innentüren gilt weiterhin die nationale Konformität (z. B. ÜA), weil der harmonisierte Teil noch nicht flächig anwendbar ist.
- Im Zweifel beim Planer, der Baubehörde oder beim Hersteller nachfragen, welche Nachweise für dein Projekt gefordert sind.
Klasse (EN) | Einsatzbeispiel | Rauchdichtheit | Selbstschluss | Hinweis |
---|
EI30 | Wohngebäude, Kellerabteile, Technikräume kleinerer Einheiten | Optional (Sa/S200 oft gefordert in Fluchtwegen) | Erforderlich | Standard in vielen Beständen |
EI30-Sa | Fluchtwege mit Anforderung an Kaltrauch | Sa (Raumtemperatur) | Erforderlich | Mindert Rauchausbreitung früh |
EI30-S200 | Hoch frequentierte Fluchtwege, Stiegenhäuser | S200 (bis 200 °C) | Erforderlich | Höherer Rauchschutz |
EI60 | Tiefgaragenzugänge, größere Technikräume | Oft mit Sa/S200 | Erforderlich | Längere Widerstandszeit |
EI90+ | Spezialfälle/Industrie | Je nach Konzept | Erforderlich | Planerisch festgelegt |
Das liest sich trocken, ist aber im Ernstfall entscheidend. 30 Minuten können Leben retten. 60 Minuten geben der Feuerwehr den Puffer, den sie braucht.
Praxis: Beispiele, Checklisten, Fragen & Nächste Schritte
Ein paar reale Szenarien, wie du die Kennzeichnung liest:
- Plakette: „EI30-S200, C5, 2024, Hersteller XY, Typ A123“ → Für Fluchtwege top: 30 Minuten Feuer/Wärme, rauchdicht bis 200 °C, geprüfte Dauerfunktion (C5 = viele Schließzyklen).
- Plakette: „EI60, 2020, ÜA, Typ B“ → 60 Minuten, nationale Konformität (innere Lage), Rauchschutz nicht explizit; prüfe, ob der Bescheid Rauch fordert.
- Alte Tür: „T30-RS, 2001“ → In Bestandsobjekten oft noch zulässig; bei Austausch auf EN-Klassen umsteigen und den Bescheid checken.
Kurze Übersetzungshilfe: „Sa“ heißt rauchdicht bei Raumtemperatur - gut für frühen Brandverlauf. „S200“ heißt rauchdicht bei 200 °C - gut, wenn es ernst wird und es heiß und rußig wird.
Checkliste Abnahme (Neubau/Sanierung):
- Typenschild vorhanden, Klasse entspricht Bescheid/Plan (z. B. EI30-S200).
- Leistungserklärung, Montageprotokoll, Wartungshinweise erhalten.
- Selbstschließer eingestellt, Tür fällt ins Schloss; bei Doppeltür Schließfolge korrekt.
- Dichtungen vollständig, unbeschädigt; Spaltmaße im Rahmen des Systems.
- Beschläge entsprechen Systemliste; Glas gekennzeichnet; Zargenanschluss sauber nach Anleitung.
- Falls Feststellanlage: Funktionsprüfung mit Auslösetaster; Protokoll anfordern.
Checkliste Betrieb (monatlich in Eigenkontrolle):
- Freier Schwenkbereich, keine Keile/Haken.
- Tür schließt sicher und rastet ein.
- Dichtungen sauber, elastisch, nicht lose.
- Plakette vorhanden und lesbar.
- Keine sichtbaren Beschädigungen an Beschlägen/Glas.
Jährliche Fachwartung: Eine sachkundige Person prüft Schließer, Beschläge, Dichtungen, Spaltmaße, Feststellanlage und dokumentiert das. In vielen Betrieben ist das Teil der Brandschutzordnung. Für Wohnhäuser empfehle ich - pragmatisch - alle 12-24 Monate einen Profi-Blick, besonders in Mehrparteienhäusern.
Kostenorientierung (Österreich, 2025):
- EI30-Innentür (Standardmaß) inkl. Zarge: ca. 700-1.500 € je nach Design/Glas.
- EI60 oder S200-Zusatz: +15-40 %.
- Montage: 300-700 € pro Einheit, je nach Baustelle.
- Feststellanlage (pro Tür): 600-1.800 € inkl. Melder/Netzteil, plus Montage.
Heuristiken, die dir Zeit sparen:
- „Ohne Plakette zählt nicht“ - fehlende Kennzeichnung ist das größte rote Tuch.
- „System schlägt Optik“ - hübsche Designbeschläge sind nutzlos, wenn sie nicht freigegeben sind.
- „Schließen schlägt Schließen lassen“ - eine Tür, die nicht sicher ins Schloss fällt, ist im Brandfall wie offen.
Häufige Fragen (Mini-FAQ):
- Darf ich eine Brandschutztür lackieren?
Ja, dünn und fachgerecht. Keine Dichtungen überstreichen, keine Intumeszenzprofile überlackieren. Dicke Lackschichten können das Aufquellen stören. - Kann ich Dichtungen selbst tauschen?
Nur mit Original- oder freigegebenen Dichtungen. Fremdprofile können die Klasse ruinieren. - Glasausschnitt nachrüsten?
Nein, nicht ohne systemspezifischen Nachweis. Glas ist Teil der Prüfung. - Etikett fehlt - was tun?
Hersteller/Typ ermitteln (Fotos an Hersteller), sonst Sachverständige:r einschalten. Im Zweifel wird die Tür als „normal“ eingestuft. - Unterschied Feuer- vs. Rauchschutztür?
Feuerwiderstand (E/I) stoppt Flammen/Hitze. Rauchschutz (Sa/S200) stoppt Rauch. Oft brauchst du beides. - Feststellanlage Pflicht?
Nur wenn die Tür offen gehalten werden soll. Sonst: geschlossen halten. Keile sind unzulässig. - Welche Normen sind relevant?
EN 1634-1/-3 (Prüfung), EN 13501-2 (Klassifizierung), EN 16034 (Produktnorm für Feuer/Rauch), EN 14351-1 (Außentüren), OIB-Richtlinie 2 (Österreich, 2023) als bauordnungsrechtliche Grundlage. - Gilt das auch in Bestandsbauten?
Ja, aber mit Augenmaß. Entscheidend sind die damals gültigen Regeln und der Bescheid. Beim Austausch gilt das aktuelle Recht/Klasse.
Nächste Schritte - je nach Rolle:
- Eigenheimbesitzer:in (Sanierung)
Bescheid/Plan checken → Klasse festlegen (oft EI30-Sa/S200) → System beim Hersteller auswählen → Montagebetrieb mit Referenzen nehmen → Abnahme dokumentieren → jährliche Kontrolle einplanen. - Hausverwaltung/Facility
Bestandsaufnahme mit Foto der Plaketten → Mängelliste (Schließer, Dichtungen, Keile) → Wartungsvertrag inkl. Feststellanlagen → Protokolle digital ablegen → Bewohner informieren (keine Keile!). - Mieter:in
Kein Bohren, kein Kürzen, keine Keile. Mängel melden (Schließer defekt? Dichtung lose?). Bei Kinderwagen/Fahrrad: Feststellanlage ansprechen, nicht „heimlich offen“.
Mini-Entscheidungsbaum:
- Plakette vorhanden und Klasse passt? → Weiter.
- Keine Plakette? → Hersteller/Profi klären, bis dahin wie normale Tür behandeln.
- Schließt die Tür selbsttätig? → Ja: gut. Nein: Schließer einstellen/reparieren.
- Dichtungen ok, Spaltmaß ok, Beschläge systemkonform? → Ja: dokumentieren. Nein: Originalteile beschaffen und fachgerecht instandsetzen.
Praxis-Pro-Tipps aus dem Alltag:
- Mach ein Foto von der Plakette und leg es in den Objektordner. Spart Stunden.
- Bei Doppelflügeln regelmäßig die Schließfolge testen. Das ist der Klassiker, der übersehen wird.
- Neue Bodenbeläge? Vorher prüfen, ob der Bodenspalt reicht - niemals unten „einfach absägen“.
Zum Schluss noch die Essenz in einem Satz: Eine Tür ist nur dann eine Brandschutztür, wenn sie geprüft, richtig gekennzeichnet, im System montiert und im Betrieb funktionstüchtig ist - und das kannst du mit den Checks oben schnell und sauber verifizieren.
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