Wenn Sie ein Haus aus den 1950er bis 1990er Jahren besitzen, könnte in Ihren Wänden, Dächern oder Bodenbelägen ein unsichtbarer Feind lauern: Asbest. Es sieht aus wie normaler Putz, Zement oder Dachplatte - doch jede kleine Bohrung, jede Schleifarbeit oder jedes Abrissstück kann Tausende von Fasern freisetzen, die Sie atmen. Und das ist kein theoretisches Risiko. In Österreich und Deutschland sterben jedes Jahr tausende Menschen an Krankheiten, die vor 30 Jahren durch einfache Renovierungsarbeiten ausgelöst wurden.
Was ist Asbest und warum ist es gefährlich?
Asbest ist kein moderner Baustoff, sondern ein natürliches Mineral, das bis 1993 in Deutschland erlaubt war. Es war billig, hitzebeständig und leicht zu verarbeiten - ideal für Dachplatten, Fliesenkleber, Putze, Dämmstoffe und sogar Heizungsrohre. Doch es hat einen tödlichen Haken: Wenn es beschädigt wird, zerbröselt es zu mikroskopisch feinen Fasern, die in der Luft schweben und in die Lunge gelangen.
Die Gefahr? Sie merken nichts. Kein Geruch, keine Farbe, kein Schmerz. Erst nach 20 bis 40 Jahren zeigen sich die Folgen: Lungenverhärtung (Asbestose), Lungenkrebs oder das seltene, aber fast immer tödliche Pleuramesotheliom. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hat nachgewiesen, dass das Risiko für Mesotheliom bei beruflicher Exposition um das 5.300-fache steigt. Und es gibt keine sichere Dosis. Selbst eine einzige Faser kann theoretisch Krebs auslösen, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung bestätigt.
Wo findet man Asbest im Haus?
Asbest ist nicht nur in alten Dächern verbaut. In Häusern zwischen 1930 und 1996 finden sich oft in diesen Materialien:
- Asbestzementplatten an Dach oder Fassade
- Fliesenkleber und Spachtelmassen unter Boden- oder Wandfliesen
- Putze und Deckenbeschichtungen, besonders in Bädern und Küchen
- Dämmstoffe um Heizungsrohre oder Kamine
- Asbesthaltige Dichtungen in Fenstern oder Türen
- Abflussrohre und Kanalisationsschächte
Wichtig: Solange das Material intakt ist und nicht bearbeitet wird, ist die Gefahr gering. Die Gefahr entsteht erst beim Bohren, Schleifen, Sägen, Abriss oder sogar bei starken Erschütterungen - wie bei einem Erdbeben oder einer Sanierung. Schwach gebundenes Asbest (z. B. in Putzen) ist besonders gefährlich: Schon ein leichter Windstoß oder ein Schlag mit dem Hammer kann Fasern freisetzen. Fest gebundenes Asbest (wie in Zementplatten) bleibt erst bei mechanischer Zerstörung gefährlich.
Neue Gesetze ab Dezember 2024: Was muss man jetzt wissen?
Seit Dezember 2024 gelten strengere Regeln für alle, die in Gebäuden bauen oder renovieren, die vor 1996 errichtet wurden. Die neue Gefahrstoffverordnung verlangt von Hausbesitzern und Handwerkern mehr Transparenz und Vorsicht.
Die wichtigsten Neuerungen:
- Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung: Bevor Sie mit Arbeiten beginnen, müssen Sie prüfen, ob Asbest vorhanden sein könnte. Das gilt auch für Kleinreparaturen wie das Bohren einer Wand für ein Regal.
- Informationspflicht: Sie müssen dem ausführenden Unternehmen schriftlich oder per E-Mail das Baujahr des Hauses mitteilen. Bei Gebäuden zwischen 1993 und 1996 sollte auch das genaue Baubeginndatum angegeben werden.
- Ampel-Modell: Fachleute nutzen jetzt ein System, das die Gefahr in drei Stufen bewertet: Grün (kein Asbest), Gelb (fest gebunden), Rot (schwach gebunden). Je höher die Ampel, desto strenger die Schutzmaßnahmen.
- Probenahme: Eine zuverlässige Asbesterkundung braucht mindestens drei Proben pro Raum - nicht nur eine Probe aus der Küche.
Das Bauamt kann Ihnen das Baujahr bestätigen, wenn Sie keine Unterlagen haben. Es kostet nichts - und verhindert teure Fehler.
Was passiert, wenn man selbst versucht, Asbest zu entfernen?
Einige Hausbesitzer denken: „Ich mache das selbst - ich bin ja handwerklich begabt.“ Das ist tödlich falsch.
Die Industrie- und Handelskammer Köln dokumentierte einen Fall, bei dem ein Amateur das Dach abdeckte, ohne Schutz zu tragen. Die Asbestkonzentration im Haus stieg um das 500-fache. Die Familie musste zwei Monate lang ausziehen. Die Sanierung kostete 35.000 Euro - und das war nur der Anfang.
Professionelle Sanierer arbeiten mit:
- Speziellen Absauggeräten mit HEPA-Filtern
- Luftdichten Abtrennungen und Unterdruckanlagen
- Einweg-Schutzanzügen und Atemschutz der Klasse P3
- Verpackung der Materialien in speziellen Folien
- Entsorgung über genehmigte Sondermülldeponien
Die DGUV schreibt vor: Die Luftkonzentration darf während der Arbeit maximal 2.000 Fasern pro Kubikmeter betragen. Ein Amateur hat keine Möglichkeit, das zu messen - oder zu kontrollieren.
Kosten der Asbestsanierung: Was kostet das?
Die Kosten variieren stark - je nach Material, Menge, Zugänglichkeit und Schutzmaßnahmen. Hier ein Überblick:
| Material | Kosten pro m² | Bemerkung |
|---|---|---|
| Asbestzementdach | 80-150 € | Entfernung oder Ummantelung möglich |
| Asbesthaltige Fassade | 120-200 € | Höhere Sicherheitsauflagen |
| Fliesenkleber oder Putz | 60-130 € | Meist schwach gebunden, hohe Gefahr |
| Dämmung um Rohre | 90-180 € | Zugangsschwierigkeiten erhöhen Kosten |
Ein Einfamilienhaus mit mittlerem Asbest-Belastungsgrad kostet im Durchschnitt 15.000 bis 25.000 Euro für die vollständige Sanierung. Die Arbeiten dauern meist 10 bis 14 Tage.
Glücklicherweise gibt es Förderungen: Die KfW-Bank erstattet bis zu 30 Prozent der Kosten für Sanierungsmaßnahmen in Wohngebäuden. Auch die österreichischen Bundesländer und Gemeinden bieten oft Zuschüsse an - fragen Sie bei Ihrer Gemeinde nach.
Alternativen zur Entfernung: Ummantelung und Sanierung
Manchmal muss Asbest nicht entfernt werden. Eine Ummantelung kann eine sichere und günstigere Lösung sein. Bei der Ummantelung wird das asbesthaltige Material mit einer speziellen, dauerhaften Beschichtung überzogen - wie ein Schutzschild. Das kostet bis zu 70 Prozent weniger als die vollständige Entfernung.
Diese Methode ist besonders sinnvoll bei:
- Intakten Dachplatten, die nicht beschädigt sind
- Wänden, die nicht weiter bearbeitet werden sollen
- Stellen, wo der Zugang schwierig ist (z. B. hinter Fußbodenheizung)
Wichtig: Die Ummantelung muss von einem zertifizierten Unternehmen durchgeführt werden. Sie ist keine „Kurzfristige Lösung“ - sie muss dauerhaft haltbar sein und regelmäßig überprüft werden. Einige Hersteller bieten Garantien von bis zu 25 Jahren.
Was tun, wenn man ein Altbau kauft?
Die Verbraucherzentrale dokumentiert viele Fälle, in denen Käufer nach dem Kauf eines Hauses mit einer Asbestrechnung von 20.000 Euro überrascht wurden - weil der Verkäufer die Gefahr verschwiegen hatte.
Seit Dezember 2024 ist das schwieriger geworden: Der Verkäufer muss das Baujahr angeben. Wenn er lügt, kann der Käufer Schadensersatz verlangen. Doch viele Verkäufer wissen selbst nicht, ob Asbest vorhanden ist.
Als Käufer sollten Sie:
- Das Baujahr prüfen - alles vor 1993 ist verdächtig
- Eine Asbesterkundung als Kaufbedingung verlangen
- Die Kosten der Sanierung im Kaufpreis verhandeln
- Nie ohne schriftliche Bestätigung des Verkäufers kaufen, dass keine Asbestsanierung nötig ist
Ein Asbestgutachten kostet zwischen 300 und 800 Euro - ein kleiner Preis für Sicherheit.
Warum ist die Sanierung so langsam?
Es gibt schätzungsweise 35 Millionen Tonnen Asbest in deutschen und österreichischen Gebäuden. Die jährliche Sanierungsrate liegt bei nur 1,2 Prozent. Das bedeutet: Bei aktuellem Tempo dauert es bis 2150, bis alle Häuser frei von Asbest sind.
Die Deutsche Umwelthilfe fordert eine Verdopplung der Sanierungsrate - sonst bleibt Asbest ein Todesrisiko für Generationen. Die Bundesregierung plant bis 2030 ein digitales Asbestkataster, das alle betroffenen Gebäude erfasst. Das ist ein wichtiger Schritt - aber es braucht mehr Druck, mehr Geld und mehr Bewusstsein.
Was können Sie jetzt tun?
Asbest ist kein Problem, das von selbst verschwindet. Aber es ist ein Problem, das Sie selbst in die Hand nehmen können.
Handlungsschritte für Hausbesitzer:
- Prüfen: Wie alt ist Ihr Haus? Wenn vor 1993 gebaut, gehen Sie davon aus, dass Asbest vorhanden ist.
- Informieren: Kontaktieren Sie ein zertifiziertes Asbestgutachterunternehmen. Kein Handwerker ohne Zertifikat!
- Planen: Lassen Sie eine Asbesterkundung durchführen - mindestens drei Proben pro Raum.
- Entscheiden: Entfernen oder ummanteln? Lassen Sie sich beide Optionen erklären.
- Fördern: Fragen Sie bei KfW und Ihrer Gemeinde nach Zuschüssen.
- Handeln: Beauftragen Sie nur zertifizierte Fachbetriebe. Keine Eigenleistung!
Die Kosten der Sanierung sind hoch - aber sie sind nichts gegen die Kosten einer Krankheit. Eine asbestbedingte Erkrankung kostet im Schnitt 120.000 Euro an Behandlung, Pflege und Ausfallzeiten. Und sie kostet Lebenszeit. Die Prävention ist nicht teuer. Sie ist notwendig.
Ist Asbest immer gefährlich, oder nur, wenn es beschädigt ist?
Asbest ist nur dann gefährlich, wenn die Fasern in die Luft gelangen und eingeatmet werden. Intakte Materialien wie unbeschädigte Dachplatten oder verputzte Wände stellen kein Risiko dar. Gefahr entsteht beim Bohren, Schleifen, Sägen, Abriss oder durch starke Erschütterungen. Schwach gebundenes Asbest (z. B. in Putzen) kann sogar durch Wind oder Vibrationen freigesetzt werden - deshalb ist es besonders gefährlich.
Kann ich Asbest selbst entfernen, wenn ich Schutzkleidung trage?
Nein. Selbst mit Schutzanzug und Atemschutz ist eine fachgerechte Asbestsanierung ohne spezielle Ausrüstung und Genehmigung illegal und extrem gefährlich. Sie brauchen Unterdruckanlagen, HEPA-Filter, spezielle Verpackung und genehmigte Entsorgungswege. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) verbietet eigenmächtige Entfernung. Wer es trotzdem versucht, setzt sich, seine Familie und Nachbarn einem hohen Krebsrisiko aus - und macht sich strafbar.
Wie erkenne ich, ob ein Handwerker zertifiziert ist?
Ein zertifizierter Asbest-Sanierer hat einen gültigen Nachweis der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) oder der Industrie- und Handelskammer. Fragen Sie nach dem Zertifikat - es muss auf den Namen des Unternehmens und die gültige Laufzeit ausgestellt sein. In Österreich ist die Zertifizierung über die Arbeitsinspektion nach dem ASBEST-Verordnung geregelt. Kein seriöses Unternehmen wird sich scheuen, das Zertifikat vorzuzeigen.
Was passiert mit dem Asbest nach der Entfernung?
Asbest ist Sondermüll und darf nicht auf die normale Deponie. Er wird in speziellen, dicht verschlossenen Containern transportiert und in genehmigten Deponien mit mehrschichtigen Barrieren abgelagert - oft in tiefen, geologisch stabilen Bereichen. Jeder Transport wird mit einem Gefahrgut-Transportdokument begleitet. Die Entsorgung ist streng kontrolliert - von der Entnahme bis zur endgültigen Lagerung.
Gibt es Fördermittel für Asbestsanierungen?
Ja. Die KfW-Bank fördert Sanierungsmaßnahmen in Wohngebäuden mit bis zu 30 Prozent der Kosten. In Österreich bieten viele Bundesländer wie Steiermark, Wien oder Salzburg Zuschüsse von bis zu 5.000 Euro an. Auch die Gemeinden haben oft eigene Programme. Fragen Sie immer nach - die Förderung ist oft unbekannt, aber verfügbar.
Wie lange dauert eine Asbestsanierung?
Bei einem Einfamilienhaus mit mittlerer Belastung dauert die Sanierung durchschnittlich 10 bis 14 Tage. Dazu kommen 4 bis 6 Wochen Vorlaufzeit für die Planung, die Gutachterprüfung und die Genehmigungen. Die eigentliche Entfernung oder Ummantelung erfolgt meist in 5-7 Arbeitstagen. Wichtig: Die Zeit für die Luftreinigung und Kontrollmessungen nach der Arbeit ist Teil des Prozesses - und darf nicht übersprungen werden.
Kann man Asbest in der Luft messen?
Ja. Fachleute verwenden spezielle Luftmessgeräte mit Filtern, die Fasern in der Luft sammeln. Diese Filter werden dann im Labor unter dem Mikroskop ausgewertet. Die Messung ist notwendig vor, während und nach der Sanierung. Die DGUV schreibt vor: Die Luftkonzentration darf während der Arbeit 2.000 Fasern pro Kubikmeter nicht überschreiten. Nach der Sanierung muss sie unter 100 Fasern pro Kubikmeter liegen - sonst ist die Arbeit nicht abgeschlossen.
Was ist der Unterschied zwischen schwach gebundenem und fest gebundenem Asbest?
Schwach gebundener Asbest (z. B. in Putzen, Spachtelmassen) enthält mehr als 60 Prozent Asbest und ist locker in einem weichen Material gebunden. Schon kleine Erschütterungen oder Luftzug können Fasern freisetzen - deshalb ist er besonders gefährlich. Fest gebundener Asbest (z. B. in Asbestzementplatten) ist in einem harten Zementgemisch eingebettet. Er ist erst gefährlich, wenn er gesägt, gebrochen oder stark beschädigt wird. Die Gefährdung ist deutlich geringer - aber immer noch vorhanden.