Warum dein Baudarlehen nicht auf einmal ausgezahlt wird
Stell dir vor, du bekommst 300.000 Euro für deinen Neubau - sofort, auf einmal. Klingt gut, oder? Doch in der Realität passiert das fast nie. Stattdessen erhältst du das Geld in kleinen Portionen, je nachdem, wie weit dein Haus gebaut ist. Das nennt sich Ratenauszahlung. Und das ist kein Hindernis, sondern ein kluger Schutz für dich als Bauherr.
Die Bank zahlt nicht einfach alles auf dein Konto, weil sie riskieren will, dass du das Geld für etwas anderes verwendest oder das Haus nicht fertig wird. Sie will sicherstellen, dass jedes ausgegebene Euro auch tatsächlich in die Baustelle fließt. Deshalb gibt es klare Regeln: Die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV), seit 2020 aktuell, legt fest, wann und wie viel Geld ausgezahlt wird. Das ist kein willkürlicher Prozess - es ist ein System, das dich vor Überforderung schützt.
Wie genau funktioniert die Ratenauszahlung?
Die Auszahlung läuft in festgelegten Schritten ab, die mit dem Baufortschritt verknüpft sind. Hier ist, was typischerweise passiert:
- Erste Rate (ca. 30 %): Sobald das Grundstück übertragen ist und die Erdarbeiten beginnen - also der Baugraben ausgehoben ist - kannst du den ersten Teil abrufen.
- Zweite Rate (ca. 40 % der Restsumme): Nach Abschluss des Rohbaus - also Wände, Decken, Dachstuhl stehen - folgt der nächste Abschnitt.
- Dritte Rate (ca. 10 %): Wenn Fenster und Türen eingesetzt und verglast sind.
- Vierte Rate (ca. 8 %): Nach Fertigstellung des Daches.
- Letzte Rate: Nach Abschluss der Innenausbauarbeiten und der Schlüsselübergabe.
Diese Zahlen sind nicht willkürlich. Sie basieren auf jahrelanger Erfahrung und dem Prinzip: Die Bank zahlt nur für das, was wirklich gebaut wurde. Und du zahlst nur Zinsen für das Geld, das auch wirklich ausgegeben wurde.
Wie viel Zinsen sparst du wirklich?
Das ist der größte Vorteil: Du zahlst Zinsen nur für das Geld, das bereits ausgezahlt wurde - nicht für den vollen Kreditbetrag von Anfang an.
Angenommen, du finanzierst dein Haus mit 300.000 Euro zu einem Zinssatz von 3,5 % pro Jahr. Wenn das Geld sofort ausgezahlt würde, würdest du im ersten Jahr 10.500 Euro Zinsen zahlen. Aber bei Ratenauszahlung? Du beginnst mit 90.000 Euro (30 %), dann kommen nach und nach weitere 120.000 Euro, 30.000 Euro, 24.000 Euro dazu. Die Bank berechnet Zinsen nur auf den jeweils aktuell ausgezahlten Betrag.
Ein Beispiel: Bei einer Bauzeit von 14 Monaten sparst du durch diese Methode im Durchschnitt über 4.800 Euro Zinsen. Das ist kein theoretisches Modell - das bestätigen Studien der Frankfurt School of Finance & Management. Für viele Bauherren bedeutet das: Ein paar tausend Euro mehr im Portemonnaie, die sonst an die Bank gegangen wären.
Was du als Bauherr tun musst
Die Ratenauszahlung funktioniert nur, wenn du die richtigen Unterlagen lieferst. Jede Auszahlung braucht Rechnungen von den Handwerkern - nicht nur irgendeine Rechnung, sondern konkrete Belege, die den Baufortschritt nachweisen.
Das bedeutet: Du musst die Rechnungen von deinem Maurer, Dachdecker, Elektriker und Heizungsbauer sammeln, sortieren und bei der Bank einreichen. Das klingt nach Bürokratie - und das ist es auch. Aber es ist die einzige Art, die Bank davon zu überzeugen, dass dein Haus wirklich voranschreitet.
Einige Banken haben das digitalisiert: Du lädst die Rechnungen einfach per Online-Banking hoch. Bei ING oder Hypofriend dauert die Auszahlung dann oft nur 24 bis 48 Stunden. Andere Banken, wie die Sparkasse Mittelsachsen, sind langsamer - bis zu drei Wochen Verzögerung sind nicht selten. Das kann teuer werden: Wenn dein Bauträger wegen verspäteter Zahlung Zinsen verlangt, kostet dich das schnell 1.000 Euro oder mehr.
Was passiert bei Kauf einer fertigen Immobilie?
Anders als beim Neubau: Wenn du eine fertige Wohnung oder ein Haus kaufst, erfolgt die Auszahlung meist als Einmalbetrag. Sobald der Kaufvertrag unterschrieben ist, die Grundschuld im Grundbuch eingetragen ist und alle notariellen Formalitäten erledigt sind, überweist die Bank den vollen Betrag an den Verkäufer.
Warum? Weil das Risiko für die Bank viel geringer ist. Das Haus steht schon, der Wert ist klar, und es gibt keine Bauphasen, die unvorhersehbar verzögert werden können. Deshalb ist die Einmalauszahlung hier Standard - und auch sinnvoll.
Wichtig: Auch bei diesem Modell kannst du nicht den vollen Kreditbetrag für Nebenkosten nutzen. Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Grundbuchgebühren - die musst du mit deinem Eigenkapital bezahlen. Die Bank zahlt nur für den Kaufpreis der Immobilie selbst.
Die Nachteile: Warum es manchmal knirscht
Die Ratenauszahlung ist kein perfektes System. Sie hat ihre Haken.
Erstens: Verzögerungen. Wenn die Rechnung nicht korrekt ausgefüllt ist, wenn die Bank einen Fehler macht oder wenn der Mitarbeiter im Kreditteam im Urlaub ist - dann dauert es Wochen, bis das Geld kommt. Und währenddessen stehen die Handwerker da, weil sie nicht bezahlt werden. Manche verlangen dann Verzugszinsen. Das ist kein Theorie-Szenario - viele Bauherren berichten davon auf Foren wie Reddit oder finanzfrage.net.
Zweitens: Komplexe Sanierungen sind schwierig. Wenn du ein altes Haus umbaust, wo der Fortschritt nicht in klaren Meilensteinen verläuft - etwa bei der Sanierung einer alten Heizungsanlage oder der Sanierung von Fassaden - dann passt das Ratenauszahlungsmodell schlecht. Hier ist oft ein Baukostenkredit mit Einmalauszahlung die bessere Wahl.
Drittens: Du musst selbst organisieren. Bei einem Bauträger übernimmt der das meist. Bei einem selbst koordinierten Bau musst du die Rechnungen sammeln, die Termine mit den Handwerkern abstimmen und die Bank auf dem Laufenden halten. Das ist Zeitarbeit - und die unterschätzen viele.
Was ist der Trend? Digitalisierung macht’s einfacher
Der Auszahlungsprozess verändert sich. Vor fünf Jahren mussten viele Bauherren Rechnungen per Post schicken. Heute bieten 76 Prozent der Banken Online-Auszahlungen an - ein Sprung von nur 42 Prozent im Jahr 2020.
Die Bundesbank prognostiziert: Bis 2025 wird 85 Prozent der Auszahlungen voll digital abgewickelt. Das bedeutet: Weniger Papier, weniger Wartezeit, weniger Fehler. Banken wie ING, Hypofriend und auch einige Sparkassen haben ihre Systeme verbessert. Du lädst eine Rechnung hoch - und innerhalb von zwei Tagen ist das Geld auf deinem Konto.
Das ist der große Vorteil der Zukunft: Die Vorteile der Ratenauszahlung - Zinsersparnis, Sicherheit - bleiben. Aber die Nachteile - Verzögerungen, Papierkram - werden kleiner.
Was du jetzt tun solltest
Wenn du gerade planst, ein Haus zu bauen, dann prüfe als Erstes: Welche Bank bietet den schnellsten Auszahlungsprozess? Frag nicht nur nach dem Zinssatz - frag nach der Auszahlungszeit.
Prüfe, ob die Bank ein Online-System hat, wo du Rechnungen hochladen kannst. Lese Bewertungen zu den Auszahlungszeiten - auf Trustpilot, Google oder in Bauforen. Einige Banken haben 4,2 von 5 Sternen dafür, andere nur 3,5. Das ist kein kleiner Unterschied - das sind Hunderte oder Tausende Euro.
Und: Plane immer Puffer ein. Wenn du rechnest, dass du in 12 Monaten fertig bist, gehe von 14 Monaten aus. Die Auszahlung dauert länger als gedacht. Die Handwerker brauchen mehr Zeit. Und die Bank braucht ihre Zeit, um die Rechnungen zu prüfen.
Wann ist die Ratenauszahlung die beste Wahl?
Die Ratenauszahlung ist ideal, wenn:
- Du ein Neubauvorhaben planst - mit klaren Bauphasen.
- Du eine Baufinanzierung über 200.000 Euro brauchst.
- Du dich auf einen strukturierten Prozess einlassen kannst.
- Du Zeit hast, Rechnungen zu sammeln und einzureichen.
Sie ist weniger geeignet, wenn:
- Du eine alte Immobilie sanierst - ohne klare Meilensteine.
- Du keine Zeit hast, dich um die Verwaltung zu kümmern.
- Du schnell bauen musst - und jede Verzögerung kostet Geld.
87 Prozent der Bauherren in Deutschland nutzen dieses Modell - weil es funktioniert. Es ist nicht perfekt. Aber es ist fair. Und es spart dir Geld - echtes, greifbares Geld.