Bevor Sie eine Immobilie kaufen, sollten Sie nicht nur den Zustand des Hauses prüfen, sondern auch das Baulastenverzeichnis. Viele Käufer wissen nicht einmal, dass dieses Register existiert - und das ist gefährlich. Eine unsichtbare Baulast kann Ihnen jährlich tausende Euro kosten, den Verkauf blockieren oder sogar die Nutzung Ihres Grundstücks einschränken. Kein Makler, kein Notar, kein Kreditinstitut erinnert Sie daran. Sie müssen selbst aktiv werden.
Was ist ein Baulastenverzeichnis - und warum ist es wichtig?
Das Baulastenverzeichnis ist ein öffentliches Register, das von jeder Stadt, Gemeinde oder Landkreis geführt wird. Dort stehen verbindliche Auflagen, die ein Grundstückseigentümer gegenüber der Baubehörde eingegangen ist. Diese Verpflichtungen sind nicht privat, sondern öffentlich-rechtlich. Das bedeutet: Sie bleiben am Grundstück haften - egal, wer es kauft. Sie werden nicht im Grundbuch eingetragen, sondern nur hier. In Bayern ist das anders - dort werden Baulasten als Grunddienstbarkeiten im Grundbuch vermerkt. In allen anderen 15 Bundesländern müssen Sie extra nachfragen.Typische Baulasten sind zum Beispiel:
- Erschließungsbaulast: Sie müssen einen Weg oder eine Zufahrt für Nachbargrundstücke zur Verfügung stellen - und ihn auch noch warten.
- Kinderspielflächenbaulast: Bei mehr als fünf vermietbaren Wohnungen müssen Sie eine Spielwiese oder einen Spielplatz unterhalten - mit Sandkasten, Rutsche, Schaukel.
- Abstandsflächenbaulast: Sie dürfen an einer Grundstücksgrenze nicht bauen, weil ein Nachbar Anspruch auf Licht und Luft hat.
- Dachbegrünung: Einige Kommunen verlangen, dass Dächer begrünt werden - oft als Bedingung für eine Baugenehmigung.
Ein Käufer aus Berlin berichtete 2023: „Ich habe ein Haus gekauft, ohne nachzusehen. Zwei Jahre später bekam ich eine Rechnung von 1.200 Euro pro Jahr - für die Wartung eines Zugangswegs, den ich gar nicht nutze.“
Wie entstehen Baulasten - und wer hat sie eingetragen?
Baulasten entstehen meistens, wenn jemand eine Baugenehmigung beantragt, die nicht den normalen Bauvorschriften entspricht. Statt eine größere Garage zu bauen, die zu nah an der Grenze steht, kann der Eigentümer eine Baulast akzeptieren: „Ich gewähre dem Nachbarn das Recht, über mein Grundstück eine Leitung zu legen - dafür darf ich die Garage bauen.“Das klingt nach einem fairen Deal - und ist es auch. Das Problem: Diese Verpflichtung bleibt für immer am Grundstück hängen. Der nächste Käufer weiß oft nichts davon. Die Behörde hat die Baulast eingetragen, nachdem der frühere Eigentümer einen schriftlichen Antrag gestellt und die Einverständniserklärung beglaubigt hat. Dafür brauchte er:
- Einen aktuellen Lageplan vom Katasteramt
- Einen unbeglaubigten Grundbuchauszug
- Gegebenenfalls einen Handelsregisterauszug (bei Unternehmen)
Heute gibt es über 11.400 separate Baulastenverzeichnisse in Deutschland - eines pro zuständiger Behörde. Im Jahr 2022 wurden über 287.000 neue Baulasten eingetragen. Die Zahl steigt - besonders durch die Energiewende. Kommunen verlangen zunehmend Baulasten für Ladesäulen, Wärmepumpen oder Dachbegrünung.
Warum ignorieren die meisten Käufer das Baulastenverzeichnis?
Weil sie es nicht kennen. Ein Umfrage des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) aus 2022 zeigt: Nur 31 % der Käufer lassen das Baulastenverzeichnis prüfen. Dabei sagen 89 % der Gutachter, dass es ein zentraler Bestandteil der Due Diligence ist. Wer es ignoriert, riskiert:- Unerwartete Kosten: Wartung, Reparatur, Sanierung
- Verkaufshindernisse: Ein Käufer will das Grundstück nicht, wenn er eine Spielplatzpflicht sieht
- Rechtsstreitigkeiten: Wenn die Kommune die Baulast durchsetzen will, müssen Sie zahlen - oder vor Gericht
Prof. Dr. Klaus Richter von der TU Dortmund hat in einer Studie 2021 gezeigt: 78 % der Baulasten, die bei Immobilienkäufen nicht geprüft wurden, führten später zu Rechtsstreitigkeiten. Die Deutsche Gutachtergesellschaft für Immobilienbewertung (DGI) kommt sogar auf 43 % der Immobilien mit versteckten Wertminderungen durch ungeprüfte Baulasten.
Wie prüfen Sie das Baulastenverzeichnis - Schritt für Schritt
Sie brauchen nicht viel, um das zu tun. Aber Sie müssen es richtig machen.- Identifizieren Sie die zuständige Baubehörde. Das ist meist das Bauamt Ihrer Gemeinde oder des Landkreises. Suchen Sie nach „Bauamt“ + [Ihrer Stadt].
- Stellen Sie einen schriftlichen Antrag. Sie brauchen die genaue Flurstücksbezeichnung: Gemarkung, Flur, Flurstück. Diese finden Sie im Grundbuch oder bei Ihrem Makler. Viele Kommunen bieten mittlerweile Online-Anträge an - besonders in NRW, Baden-Württemberg und Hessen.
- Zahlen Sie die Gebühr. Die Kosten liegen zwischen 20 und 150 Euro, je nach Ort. Telefonische Auskünfte sind oft kostenlos - aber Sie bekommen nur eine mündliche Info, keinen schriftlichen Nachweis.
- Warten Sie 7-14 Tage. Die Behörde prüft den Antrag und sendet Ihnen den Auszug zu.
- Überprüfen Sie den Auszug mit einem Gutachter. Die Formulierungen im Baulastenverzeichnis sind oft juristisch kompliziert. Ein Gutachter oder Anwalt kann Ihnen sagen: „Das ist eine normale Abstandsflächenregelung“ oder „Das ist eine ungewöhnliche, kostenintensive Verpflichtung“.
Ein Käufer aus Stuttgart schrieb auf Trustpilot: „Die Prüfung hat 45 Euro gekostet. Aber ich habe erfahren, dass ich eine Dachbegrünungspflicht habe - sonst hätte ich 15.000 Euro für ein Dach investiert, das ich nicht nutzen darf.“
Was tun, wenn Sie eine problematische Baulast finden?
Sie haben den Auszug, und da steht: „Baulast zur Unterhaltung einer Kinderspielfläche“. Was jetzt?- Verhandeln Sie mit der Behörde. In einigen Fällen können Sie einen Ausgleich zahlen, um die Baulast aufzuheben. Das ist teuer - aber oft günstiger als jährliche Wartungskosten.
- Prüfen Sie den Wertverlust. Eine Baulast kann den Marktwert senken. Ein Gutachter kann Ihnen sagen, wie viel. Das ist wichtig, wenn Sie verhandeln wollen.
- Verlangen Sie einen Preisnachlass vom Verkäufer. Wenn die Baulast erst nach dem Kauf sichtbar wird, haben Sie einen starken Verhandlungsspielraum.
Wichtig: Eine Löschung der Baulast ist fast immer unmöglich. Sie bleibt ewig im Verzeichnis - es sei denn, die Behörde stimmt ausnahmsweise zu. Und das passiert selten.
Wo liegt das größte Risiko?
In Ballungsräumen. Berlin hat durchschnittlich 1,8 Baulasten pro Grundstück. In Mecklenburg-Vorpommern sind es nur 0,3. Das bedeutet: Je dichter die Bebauung, desto wahrscheinlicher, dass Baulasten existieren. Besonders gefährdet sind:- Immobilien in geschlossener Bebauung (z. B. Reihenhäuser)
- Grundstücke mit alten Baugenehmigungen (vor 2000)
- Wohnungen mit mehr als fünf Einheiten
- Grundstücke, die früher Gewerbe waren
Und: Baulasten können auch versteckt sein. Ein früherer Eigentümer hat eine Baulast eingetragen, um eine Garage zu bauen - und später das Haus verkauft. Der neue Käufer hat nie nachgesehen. Jetzt ist er der Verpflichtete.
Was ändert sich in Zukunft?
Die Digitalisierung schreitet voran. Bis Ende 2024 werden 85 % der Baulastenverzeichnisse online abrufbar sein. NRW hat mit „Baulasten NRW“ bereits ein funktionierendes Portal. Brandenburg digitalisiert seit 2016 alle historischen Einträge. Die Bundesregierung plant bis 2026 eine einheitliche digitale Abfrage - endlich ohne 11.400 verschiedene Websites.Ab 2025 könnte das neue Baugesetzbuch sogar verlangen, dass Baulasten im Grundbuch eingetragen werden - wie in Bayern. Das wäre ein großer Schritt zur Transparenz. Aber bis dahin: Sie müssen selbst prüfen.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Sie kaufen ein Haus. Zwei Jahre später kommt ein Brief vom Bauamt: „Ihr Grundstück ist mit einer Baulast belastet. Sie müssen den Zugangsweg instand halten. Kosten: 1.200 Euro pro Jahr.“Kein Anwalt kann das einfach lösen. Kein Notar hat Sie gewarnt. Kein Makler hat nachgefragt. Sie haben es nicht geprüft. Und jetzt? Sie zahlen. Oder Sie verkaufen - zu einem deutlich niedrigeren Preis.
Das Baulastenverzeichnis ist kein lästiges Papierkram. Es ist eine versteckte Zeitbombe - und Sie sind der einzige, der sie entschärfen kann.
Ist die Prüfung des Baulastenverzeichnisses Pflicht beim Immobilienkauf?
Nein, die Prüfung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Aber fast alle Experten - Gutachter, Anwälte, Makler - empfehlen sie als unverzichtbaren Teil der Due Diligence. Wer sie ignoriert, handelt fahrlässig. In der Praxis führt das oft zu teuren Überraschungen, die sich später kaum rückgängig machen lassen.
Kann ich das Baulastenverzeichnis online einsehen?
Inzwischen ja - aber nicht überall. In NRW, Baden-Württemberg, Hessen und einigen anderen Bundesländern gibt es Online-Portale, über die Sie den Auszug beantragen können. In anderen Regionen müssen Sie persönlich oder schriftlich beim Bauamt erscheinen. Die Bundesregierung plant bis 2026 eine bundesweite digitale Abfrage, aber bis dahin ist es ein Flickenteppich.
Wer darf das Baulastenverzeichnis einsehen?
Nur der Grundstückseigentümer, sein Bevollmächtigter oder ein berechtigter Interessent (z. B. ein potenzieller Käufer mit schriftlichem Auftrag). Privatpersonen ohne jeglichen Bezug zum Grundstück bekommen keine Auskunft - auch nicht aus Neugier.
Wie lange dauert es, bis ich den Auszug bekomme?
In der Regel 7 bis 14 Werktage. In einigen Kommunen dauert es länger, besonders wenn historische Unterlagen nachgeprüft werden müssen. Online-Anträge sind oft schneller - aber nicht immer. Planen Sie mindestens zwei Wochen ein, wenn Sie eine Immobilie kaufen.
Was passiert mit Baulasten, wenn ich das Grundstück verkaufe?
Die Baulast bleibt am Grundstück haften - sie wandert mit dem Eigentum. Sie als Verkäufer müssen sie nicht löschen. Aber Sie müssen sie dem Käufer offenlegen. Wer sie verschweigt, macht sich strafbar und kann später auf Schadensersatz verklagt werden.
Kann ich eine Baulast löschen lassen?
Das ist sehr schwer. Eine Löschung ist nur möglich, wenn die Behörde zustimmt - und das passiert nur in Ausnahmefällen. Meistens verlangt die Behörde einen Ausgleichszahlung, oft in Höhe der geschätzten zukünftigen Kosten. In der Praxis ist es oft billiger, die Baulast zu akzeptieren und den Kaufpreis entsprechend zu verhandeln.
Kommentare (1)
Maxim Van der Veken
Dezember 8, 2025 AT 03:06Also ich hab mein Haus gekauft, ohne nachzuschauen... und jetzt zahle ich 1.200€/Jahr für einen Weg, den NICHT MAL MEIN HUND BENUTZT. 😭 Die Behörde schreibt mir jedes Jahr einen Brief mit der gleichen Schriftart wie meine Ex-Freundin: freundlich, aber voller Vorwürfe. #BaulastenHölle